Die Zahl des Tages 01.02.2015 Bei der Visite teilt mir der diensthabende Arzt (es ist Sonntag) mit: “Die Zahl des Tages lautet 4900.” Gemeint sind Leukozyten pro µl Blut. Der Normalwert für Erwachsene liegt zwischen 4000 und 10000. Als meine Frau am Nachmittag kommt, ist die Umkehr-Isolation aufgehoben. Wir genießen es, endlich wieder einander umarmen, streicheln und küssen zu dürfen, ohne Mundschutz, Einweghandschuhe oder Schutzüberzug über der Straßenkleidung.
Die Rückkehr der Leukozyten 31.01.2015 Am Morgen fühle ich mich schlapp. Gegen Mittag dusche ich. Im Laufe des Nachmittags werde ich fitter. Erläuterung des Stationsarztes bei der Visite: Das Fieber sei normal. “Jeder Tag, an dem wir nicht Ihretwegen hier dauernd rein- und rauslaufen, ist ein guter Tag.” So gesehen, hatte ich hier nur gute Tage. Ich fühle mich so fit, dass ich in einer der beiden Computerzeitschriften zu lesen beginne, die neben mir darauf warten, “abgearbeitet” zu werden. ...
Hüh oder Hott 30.01.2015 Bei der Visite erfahre ich ein paar Details zu der Studie, in der man mich haben möchte (siehe unten). Außerdem sagt mir die Ärztin, meine Brüder sollten sich (wenn sie denn wollen, aber das haben beide schon signalisiert) vorsorglich im Hinblick auf eine mögliche Knochenmarks-/Stammzellentransplantation typisieren lassen. Hmm, gestern hatte der eine Bruder in München zu tun, und er wollte sich typisieren lassen. Aber gestern hieß es anders. Gestern hüh, heute hott? ...
Neues Fieber 29.01.2015 Bei der Visite teilt mir der Arzt mit, was das “hämatologischen Board” entschieden hat: Man möchte, dass ich an einer Studie teilnehme bzw. im Rahmen dieser Studie behandelt werde. Die Typisierung meiner Brüder für eine eventuelle Knochenmarkstransplantation sei damit noch nicht nötig. Am Nachmittag stellen sich Fieber und Schwitzen ein. Das Antibiotikum wird wieder angesetzt. Während der Nacht schwitze ich ziemlich viel.
Der Bart ist ab 28.01.2015 In den letzten Tagen ist mehrfach die Frage nach meinen ausfallenden Haaren, genauer dem Abrasieren des Rests, angeschnitten worden, gestern gleich zweimal: zunächst bot eine der Schwestern an, das könne auch auf Station gemacht werden, dann fragte bei der Visite die Psychoonkologin (die nicht immer dabei ist), wann denn mein Frisörtermin sei. Da ich meine Frau nicht mit einer solchen Änderung überfahren möchte, bespreche ich das am (gestrigen) Abend mit ihr. ...
Kein Antibiotikum mehr 27.01.2015 Ich bekomme heute früh die angekündigte “Dopingspritze” für mein Knochenmark. Das Mittel könne Knochenschmerzen verursachen, erklärt mir der Stationsarzt bei der Visite; wenn das passiere, soll ich mich melden, dagegen helfe ein Gramm Paracetamol. Und das Antibiotikum habe er abgesetzt. Das heißt, heute ist er erste Tag seit Beginn der Chemotherapie, an dem ich keine Infusion erhalte. Er kommt bald noch mal zu mir: Immer am Mittwoch setzen sich die Oberärzte der betreffenden Stationen und weitere Ärzte zu einem “hämatologischen Board” zusammen. ...
Viele Neuigkeiten 26.01.2015 Heute ist zum ersten Mal der Stationsarzt bei der Visite dabei. Nachdem ich ihn bisher nicht gesehen hatte, nehme ich an, dass er bis jetzt im Urlaub war. Er schließt zunächst die Ringerlösung an, fragt dann aber nach meinem Trinkverhalten: “Schaffen Sie 2 Liter am Tag?” “Locker”, antworte ich. Ich hatte mal Probleme damit (so dass die Ringerlösung sinnvoll war), aber inzwischen geht das wieder1. Er stöpselt mich gleich wieder ab. ...
Haare, Haare 25.01.2015 Nach den gestrigen Erfahrungen war ich gespannt, was nach dem Duschen denn noch an Haaren übrig bleiben würde. Es wurden zwar viele weg gewaschen (und weg getrocknet), aber es sind auch noch viele da. Der Kinnbart ist sichtlich dünner, der Oberlippenbart hat sich weiter ausgedünnt, und eine Unmenge Kopfhaare fanden den Weg in den Abfluss, aber keine dieser drei Bereiche ist schon ganz haarfrei. Die Achsel- und Brusthaare zeigen sich bisher unbeeindruckt. ...
Die Wolle wird dünner 24.01.2015 Der Kinnbart hat einiges verloren, wirkt aber noch relativ dicht. Dafür entdecke ich mehr und mehr lange Haare auf dem Kissen. Irgendwann fahre ich mit den Händen durch die “Wolle” an meinem Hinterkopf und finde größere Haarbüschel zwischen meinen Fingern. Auch der Spiegel scheint zu bestätigen: Die Pracht wird weniger. (Die oben drauf ist schon über viele Jahre dünner geworden, ganz ohne Chemo.)
Neues vom Bart 23.01.2015 Die Situation beim Oberlippenbart hat sich erst mal stabilisiert: Er ist sichtlich dünner, aber durchaus noch vorhanden. Dafür beginnt es jetzt – weit weniger umfangreich – mit dem Kinnbart. Und auch in der Haarbürste fängt sich sichtbar einiges.